rgendwie fehl am Platze, so wirkte dieser Ort damals, 2012, auf mich. Mitten in einer Region, die man nur sehr, sehr wohlwollend als verloren und vergessen bezeichnen konnte (die Realität war, zu diesem Zeitpunkt, eher “Vorhölle”), stand dieses „Theater“. Direkt an einer Schnellstraße mit Blick auf das, was Lüttich aus der Maas zu machen wusste und in den Farben eines Regenbogens im Flussbett hinabwaberte, wartete dieser Ort auf eine Neuerweckung, ein Feuer, oder die erlösende Gewalt einer Abrissbirne, um dem Elend in Grautönen entkommen zu können.
Damals war „Urbex“ noch nicht so groß und ich weiß noch ganz genau, wie sehr dieser Ort gefeiert wurde und wie groß der Ansturm später auf ihn war. Es gab auch die wildesten Gerüchte über den Ort, die tollsten Geschichten; von belgischen Spezialkommandos, welche das Theater stürmten beim leisesten Verdacht, von gewalttätigen „Zigeunern“, die arme Urbexer überfielen und ausraubten und auch von Wachhunden, die sich angeblich im Gebäude aufhielten und frei umherstreunten.
“Früher, als alles besser war”
Damals hatte ich noch Glück bei diesem Ort, hatte nur die unglaubwürdigsten Gerüchte mitbekommen und war dementsprechend positiv der Sache gegenüber eingestimmt. Abgesehen davon: Der Ort war noch zu unbekannt und nichts hätte mich davon abhalten können, dort zumindest einmal meine Nase reinzustecken – nicht einmal Selbstschussanlagen mit Laserstrahlen und mutierte Terrorhunde…
Leider, so muss ich heute anmerken, hatte ich damals weder die Chuzpe noch das notwendige Auge dafür, um die überall leerstehenden Stahlwerke wahrzunehmen, die diesen Ort umschlossen. Später, viel später, sollte ich diese Werke noch besuchen, aber bestimmt nicht mehr in dem Zustand, wie ich sie damals hätte vorfinden können. Nicht die erste Situation, in der ich über Jahre an einem „Goldstück“ von Verfall vorbeifahre, ohne die leiseste Ahnung von diesem Platz zu haben.
Wir parkten an einem gegenüberliegenden Schotterparkplatz, auf welchem die Abrissfahrzeuge der nahegelegenen Hütte ruhten und auf ihren Einsatz am kommenden Montag warteten. Eigentlich war dieser Parkplatz totaler Irrsinn, da viel zu nahe gelegen und mit deutschem Kennzeichen, an diesem gottverlassenen Ort, mit einer Signalwirkung versehen, wie sie nur eine Leuchtrakete erreichen könnte.
Die Uhren tickten 2012 noch ein wenig anders.
Wir schlurften etwas unbedarft um das Gelände, gingen die vollständige verlassene Siedlungsstraße hinauf und bewunderten den wallonischen Pragmatismus, der auch vor Spanplatten als Scheibenersatz keinen Halt machte. Verwunderlich waren (zu diesem Zeitpunkt noch) die Gitter vor den Fenstern, die, aufgrund ihrer Materialstärke, nicht nur sprayende Jugendliche abhalten konnten, sondern auch kleineren Sauriern ein Hindernis gewesen wären. Welche Schätze man wohl zu verbergen hatte? Oder aus einem anderen Blickpunkt: Wer (oder “was”) sich hier in den Nächten wohl herumgetrieb und derartige Maßnahmen notwendig machte?
Das Theater selbst gewährte uns (nach einer längeren Findungsphase unseres Mutes) den Einlass durch den weit geöffneten Kohlenkeller, dessen Boden bis zu den Knöcheln mit einer Mischung aus Kohlenstaub und Erdreich gefüllt war – fleißig und ohne Unterlass bewässert durch feinstes, durch die Grundmauern eindringendes Maaswasser.
Anzumerken sei hierbei, dass es schon ein ganz besonderes Gefühl ist, wenn man mit feuchten Füßen, umhüllt von einer Kruste aus dem was mal Schuhe waren und einer fast 2 Finger dicken Kohleschicht, durch schimmelgeschwängerte, stockfinstere Treppenaufstiege wandert und genau weiß, dass man diese biologischen Kampfstoffe mindestens die nächsten 3 Stunden anbehalten muss…