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Eglise Solitaire

Eglise Solitair

Vorwarnung

Gleich vorweg: Meine eher atheistische Meinung zu allem was mit Religion zu tun hat, ganz gleich welcher, sollte ich desöfteren schon einmal hier kundgetan haben. Ich will damit gewiss keinem auf die Füße treten, aber sollte ein Besucher sich dazu animiert fühlen seine Stimmung als angepisst zu betrachten, dann hat er nur einen Schuldigen zu suchen: Sich selbst. Hier ist ein Blog, keine Facebookseite die einem ungewollt etwas serviert – man muss mich hier schon ganz bewusst aufsuchen, um meine Meinungen lesen zu können. Dementsprechend bitte ich jeden Besucher, der mit dieser Ansicht zu religiösen Themen Probleme hat, einfach diese Seite zu verlassen.
RR

Besucht im Jahr 2014

K

räuselnde Farbe fällt von den Wänden, der Putz bröckelig, feucht und vom Schimmel durchzogen. Tote Tauben türmen sich in manchen Ecken auf, ohne erkennbares Muster als Massengräber der flugfähigen Postboten – von eben jenen selbst – erwählt. Wie so oft, fanden diese auch hier durch ein Loch im Dach des Gebäudes hinein, aber dann hörte es auch schon leider auf mit dem Entdeckergeist der Tiere und ihr Schicksal besiegelte sich durch die Unfähigkeit, dem Eingang auch die Funktion des Ausgangs zu zuordnen. So ähnlich wie bei manchem Menschen, nur der gibt vor intelligent zu sein – eine Taube ist längst nicht so arrogant.

Gold, zu hauchdünnen Blättern verarbeitet, als Element mühsam überall gesucht, der Erde mit Blut und Schweiss abgerungen, geschmolzen, bearbeitet und auf unterschiedliche Unnützigkeiten aufgeklebt, blättert von hölzernen Darstellungen alter Geschichten, entrissen aus einem noch älteren und kreativ zusammengeschustertem Buch. Gold ist wertvoll, angeblich. Religion soll auch wertvoll sein, behauptet man. Für beide Dinge hat man schon recht bemüht getötet. Meine Augen betrachten handgeschnitzte Sitzbänke, Holzfiguren und den Altar aus seltenem Stein – selbstverständlich handbehauen. Große Natursteinplatten verzieren die Wände, mühselig in Systemen angelegt. Im Geiste stelle ich mir Fragen: Wie viele Stunden hat man an Arbeit hier investiert? Wie viel Geld hat das alles verschlungen?

Chaotisch verteilte Haufen von Taubenscheisse liegen überall, insbesondere auf dem Altar und den Darstellungen Heiliger. Die Scheisse bildet regelrechte Krusten, mehrschichtige – so fleißig waren sie, kurz vor ihrem Ableben, die armen Biester. Ganz so als wäre dies ihre ganz eigene Form von Rache dafür gewesen, dass sie nicht mehr hinauskamen aus dem Haus Gottes und dieses unweigerlich zu ihrem Grab wurde.

Lange habe ich keine Kirche mehr besucht ihres Zwecks wegen; dem heiligen Gott (weißer Bart, wird von diversen Splittergruppen regelmäßig umbenannt und beansprucht) huldigen, mich meiner vermeintlichen Sünden entledigen und dabei eine Hoffnung eingepflanzt zu bekommen, dass alles Böse dieser Welt nicht aus geistigen Störungen der sie bewohnenden Menschen stammt, sondern von einem Teufel der uns verführt. Letzteres ist recht witzig, denn ein einfacher Blick ins mittelalterliche Folterinstrumentarium dürfte dem Beelzebub genügt haben, um in dauerhaften Urlaub gehen zu können – die Menschen vertreten ihn besser und sind zu Höchstleistungen der Boshaftigkeit befähigt, zu denen er sicherlich nie fähig gewesen wäre. Vielleicht hat er sich auch einfach nur vor der Aufnahme seiner Tätigkeit zutiefst vor dem erschrocken, zu dem wir fähig sind – denn wirklich, wahrhaftig teuflisches Werk lieferte der Mensch auch schon vor der Erfindung des Paarhufers mit Dreizack. Orientalische Pfählung, anyone? Bootsfolter? Eine ganz und gar putzige Methode der menschlichen Freizeitbeschäftigung…

Der Teufel, buh!

“Nicht mehr als nur schön anzusehen” kommt mir leise über die Lippen, als ich mit dem Rundgang durch diese Hinterlassenschaft früherer Begeisterung schleiche. Erneut frage ich mich selbst, wie viele Stunden fleißiger Hände hier zusammengerechnet vorliegen, wie viel Geld. Ich frage es nicht einfach aufgrund der Kosten, sondern rechne ich die potenzielle Summe von Leistung und Geld in Leben um. Wie vielen Menschen hätte man helfen, sie ernähren können, wenn man auf Holzjesus mit Blattgold verzichtet hätte?

Solche Gedanken sind generell eher weniger empfehlenswert, weil sie einen Irre werden lassen können; Man beginnt zu hinterfragen, wieso Menschen verhungern müssen, während irgendwo auf der Welt religiöse Zentren mit allerlei Pomp und Tand verziert werden, für den man unzählige hungrige Münder hätte füttern können. Grundsätzlich ist ja nichts verwerfliches daran, sich etwas zur Zierde anzuschaffen, welches einfach nur das Auge erfreut – aber ein Gebäude so reichlich zu schmücken, es speziell nur für einen ungreifbaren Zweck zu errichten und dabei so tun, als würde von diesem Gebäude etwas “Gutes” ausgehen, während nur wenige Kilometer entfernt Hunger gelitten wird?

Irgendwie doch sehr… bigott und im höchsten Maße unverständlich. Insbesondere, da die Ernährung der Armen wesentlich kostengünstiger gewesen wäre, als an jeder Ecke einen prächtigen Steinbau mit integriertem Personal zu errichten, welches sich nur darauf versteht Anweisungen in Vertretung einer sich nicht zeigenden Vorgesetztheit zu verbreiten. Dass das Bodenpersonal ansonsten auch nicht durch die strikte Einhaltung der verbreiteten Regeln glänzte… eine ganz andere, abstoßendere Geschichte.

Ich öffne meine Fototasche und während ich weiter den Raum für mich erfasse, greife ich wie von selbst nach meiner Kamera. Meine Bewegungen sind automatisch, während ich noch einmal alle Gedanken ordne und Motive finde. Die muffige Luft steht; kein Lüftchen bringt Bewegung in die Mischung aus Schimmel, Taubenscheisse und abgestandener Atmosphäre. Das Gemisch ist so schwer und voller “Inhalt”, dass man die Luft regelrecht schmecken, anstatt riechen kann und ich mich kaum traue einen richtigen Atemzug zu nehmen. Ich stelle meine Kamera ein, positioniere mich für den ersten Schuss, nachdem ich in Gedanken versunken noch einige Zeit in das religiöse Relikt von Kirche hineingestarrt habe, dabei Pelz auf meiner Zunge bekam. Glauben ist ein seltsames Konzept – für andere ist dieser Ort heilig.

Gott ist vielleicht tot, vielleicht auch nicht. Vielleicht existiert “da oben” etwas, vielleicht besteht es auch aus uns allen, aus allem Leben, aber wer weiß das schon. Was ich auf jeden Fall aber weiß: Das, was man Gott nennen könnte, braucht sicherlich keine mit Blattgold verzierten Schnitzarbeiten mit Happy Face und wir brauchen keine Priester, oder anderen “Religionsführer”, die uns vorschreiben wollen wie wir etwas zu tun habe. Ein Verhungernder braucht Nahrung, keinen Pfarrer. Ein Verletzter medizinische Hilfe, keine Gebete.

Am Ende bleibt eine Kirche für mich dann also nur noch eines: Ein schön anzusehendes Mahnmal für den falschen Einsatz von Ressourcen, immer öfters befüllt mit Taubenscheisse. Durchzogen von abgestandener Luft und muffiger Historie. Gott ist vielleicht nicht tot, aber die Kirche mit Sicherheit. Amen.

Weiterer Stoff

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