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Sanatorium du Basil

Sanatorium du Basil / Sanatorium Sansa
RR

Besucht im Jahr 2014

K

rankenhäuser sind etwas, was mich in der Regel in keiner Art und Weise anzieht – ich arbeite immerhin seit über einem Jahrzehnt in einem (als kleine Besonderheit, könnte man sagen – Rettungsassistenten waren dafür nie vorgesehen und so werden wir dementsprechend auch manches Mal noch behandelt).

Beruflich war es mir besonders wichtig nie das Gleiche zu erleben, nie jeden Tag am selben Schraubstock stehen zu müssen – bis dass der Rentenbescheid aus dem Briefkasten quillt. Wenn schon sein Leben zum größten Teil mit Arbeit zubringen, dann zumindest hier Abwechslung haben. So der Gedankengang eines wirren, jungen und naiven Schädels.

Es kommt im Leben aber dann doch immer ein wenig anders, als man eigentlich erwartet hatte und die Realität holt die Träume schneller ein, als man davonlaufen kann. Man arrangiert sich, passt sich an und versucht nicht abzustumpfen, so weit es eben geht.

Die Ardennen.

Kleinere Reste von Schnee, mit Dreck vermengt und sich im Straßengraben gerade zu versteckend, hielten in diesem Januar 2014 eine stumme Parade für uns ab, als wir am Rande der Ardennen durch verschlungene Straßen fuhren. Der Winter war verhältnismäßig milde für diese Region gewesen, was schon damals ein Anzeichen für die bevorstehenden Klimaänderungen darstellte, für die sich aber in der breiten Masse noch keiner so wirklich interessieren wollte. Obama war Präsident der USA, Merkel immer (und ist heute noch immer) Kanzlerin der Republik und mir hingen lange, zottelige Haare vom Schädel, die ich in einer länger andauernden Phase von Einfallslosigkeit wachsen ließ.

Wie so oft, war ich Beifahrer und irgendwie auch Navigator, Pilot. Eher unfreiwillig hatte ich mit der Zeit, ganz von selbst, auf den Touren diese Rolle zugeschrieben bekommen, organisierte ich doch in der Regel unsere Strecken und kümmerte mich um die Wegpunkte. So richtig „meins“ war diese inoffizielle Routenführerschaft nie, denn Misserfolge schrieb ich mir immer selbst zu und schrieb mir die unausgesprochene Enttäuschung meiner Begleiter auf die eigene Rechnung. Es lag eine gewisse Form der Erwartung immer in der Luft, die ich krampfhaft versuchte zu bedienen und dabei meine, damals schon zu Freunden gewordenen, Begleiter nicht zu enttäuschen.

Ulli war irgendwann genau so der Fahrer geworden, was sicherlich an seinen Fahrkünsten, der Gelassenheit, dem Diesel und seiner Schmerzfreiheit im Abarbeiten langer Fahrtstrecken begründet lag. Wer im Berufsverkehr Brüssels ohne einen Ur-Schrei abzulassen durchkommt, der hat bis heute meinen höchsten Respekt.

Wir hatten uns organisiert, unabsichtlich.

Baum um Baum schob sich an meinen Blicken vorbei, ein gerade zu endloser Wald umgab die Straße, der hin und wieder den Blick auf ein kleines Tal eröffnete – wahrscheinlich nur, um einem die Abgelegenheit des Ortes noch deutlicher vor Augen führen zu können. Ein kleines Schild, neben einer noch kleineren, übersehbaren Einfahrt deutet den Weg – wir fuhren in der ersten Runde gnadenlos daran vorbei und hatten unsere Mühe eine Örtlichkeit zum Wenden zu finden. Waren wir richtig?

Wir fuhren die kleine Einfahrt hinein, die uns direkt an einem noch im Betrieb befindlichen Sanatorium vorbeiführte. Krankenschwestern bei der Raucherpausen musterten das Auto mit deutschem Kennzeichen. Wir schauten mindestens genau so geistesleer aus dem Fahrzeug, wie sie zu uns hinüber. Wir sahen Patienten auf dem Spaziergang, frische Fahrtspuren und in der Ferne waren Schüsse und Sägearbeiten zu vernehmen.

Alles, wirklich alles, wirkte nicht gerade so, als würden wir heute auch nur ein Foto hier schießen können. Hier sollte etwas „Lost“ sein? Wie Amateure es sonst nur tun würden, parkten wir direkt am vermeintlichen Objekt, welches sich irgendwann vor uns auftat; Ein ca. 150m langes, in C Form geschwungenes Gebäude, welches eine eigentümliche Mischung aus Schwarzwaldklinik und Overlook Hotel darbot. Burgenartige Erker, an den jeweiligen Endpunkten, markierten und unterstrichen die Begrenzungen dieses Eigentümchens.

Alles wirkte gepflegt, der Rasen der Parkanlage geschnitten. Mülleimer konnte man beobachten, die frisch ausgeleert schienen. Es musste jemand nach dem Rechten sehen, so unsere Vermutung, wenn es denn überhaupt leer stehen sollte. Wir schlenderten um das Gelände, ließen unsere Augen nach Kameras und offenen Fenster kreisen und waren nach einer gewissen Zeit schon knapp davor abzureisen, weil sich weder ein Eingang, noch die passende Stimmung finden ließ.

Nachdem wir, bis auf die Knochen durchfroren, bereits wieder auf dem Weg zum Auto waren entdecken wir dann doch das ersehnte etwas, die Erlösung und fanden ihn doch, den heiligen Gral des gesamten „Hobbys“, um den sich am Ende doch alles dreht und mit dem alles beginnt und endet: Den Eingang. Ein Fenster am Enderker, in unangenehmer, aber erreichbarer Höhe, stand fast unbemerkbar offen. Dazu muss man aber wissen: Die Kunst ist es nämlich nicht das Objekt der asexuellen Begierde zu finden, sondern in es hineinzukommen. Dies ist der wahrhaftig spannende Moment am gesamten Treiben – das „hinein“.

Erleichtert, aber besorgt, hieften und schoben wir uns in die entsprechende Höhe, quetschten uns durch den engen Bereich. Es war nicht schön anzusehen, was wir hier taten, aber das musste es auch nicht sein.

Im Inneren.

Drinnen entdeckten wir Spuren einer kürzlichen Weihnachtsfeier vor Ort, die ich insgeheim den zuvor entdeckten Schwestern zuordnen wollte. Es wirkte alles frisch verlassen, wie vor wenigen Stunden erst aufgegeben – dass in einer Kammer noch ein MP3 Player lief, der anscheinend irgendwo im Haus einen Raum bespielte und dementsprechend mit einer langen Klinkenleitung und einem Netzkabel für den Dauerbetrieb ausgestattet war, passte dann aber nicht mehr so ganz in die Illusion hinein, dass wir alleine vor Ort waren.

Hatte man sich einen Bewegungsmelder gebastelt, dessen Sensor wir übersehen hatte, der nun im aktiven Teil über eine Telefonleitung etwas von den Pixies abspielte – was nun ein Zeichen für den so aufgeschreckten Wachmann darstellte „da ist wer, wo er nicht sein sollte“? Oder gab es irgendwo im Haus jemanden, der wache hielt und es – aus welchem Grunde auch immer – für sinnig hielt den Player am anderen Ende der Welt einzurichten? In jedem Fall ließ ich die Finger von dem kleinen Kuriosum, ließ es seiner Arbeit nachgehen – welche es auch immer sein sollte.

Was es auf jeden Fall geschafft hatte: Wir schlichen, als stünde jeden Moment jemand um eine nicht einsehbare Ecke. Überall vermuteten wir jemanden, achteten auf jedes Geräusch und bemerkten dabei fast gar nicht, wie perfekt hier noch alles erhalten war – egal wo wir hinblickten.

Sind Krankenhäuser auch absolut nicht mein Metier, so blieb mir dieses Objekt auf jeden Fall in Erinnerung – auch, weil wir am Ende dann doch noch vom Sicherheitsdienst durch das Gebäude verfolgt wurden, dieser uns aber nicht zu fassen bekam.

Weiterer Stoff

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