enn man Urlaub hat, dann hat man Zeit und Energie, Motivation und schöpft zudem neue Kraft. Man kümmert sich um alte, liegen gebliebene Sachen und so, zum Beispiel, bearbeitet man alte Reportagen erneut, die schon seit Jahren auf der Festplatte schlummern und nicht mehr dem Stand der eigenen Entwicklung standhalten, die man über die Jahre hinweg vollzogen hat.
So erging es auch einem Set, welches ich auf einer meiner Platten fand; die alte Kapelle “Agnus Dei” (Szenename), an welche ein Altenheim angeschlossen war. Bei einer Zigarette und einer Tasse Kaffee, überflog ich gedanklich noch einmal die Erinnerungen an diesen Ort. War es 2012? Oder 2013? Ich war mir nicht mehr ganz sicher, doch je mehr ich darüber nachdachte, um so mehr kamen die Eindrücke an diesen Ort zurück, die in meinem Hirn auf ihre Bergung warteten.
Es war schwül, heiß und ich wurde gerade zu von Insekten aufgefressen an diesem Tag. Es herrschte ein Wetter vor, für welches ich in keinster Art und Weise geschaffen war, für das niemand in meiner Familie geschaffen wurde. Die Sonne, in Verbindung mit der Windstille, sorgte für das Treibhaus, welches wir Klima nannten und jede Bewegung außerhalb des kühlen Autos wurde zur Qual für mich – wie in jedem Sommer. Dass meine Nebenhöhle sich seit einem Jahr immer weiter verschlechterte und ich kaum noch Luft durch die Nase bekam, das machte die Sache nicht eben einfacher für mich.
Eigentlich waren wir auch durch an diesem Tag, hatten bereits alle Orte abgefahren -waren mal mehr, mal weniger erfolgreich und dieser Ort war nur als Ersatz eingeplant, falls es doch noch besonders schlecht ausgehen sollte. Bereits zu diesem Zeitpunkt war Agnus Dei bekannt als geschundener Platz, wo Amateurbands Aufnahmen für ihre Musikvideos machten und “Dorfjugendliche” sich austobten. Vieles war schon zerstört, geklaut, oder umdekoriert worden. Wie wenig an Würde und Respekt der Mensch aufzubieten in der Lage ist, wenn niemand zusieht und er sich ungestört “entfalten” kann.
Wir schlenderten der “Urbexautobahn” (wie man die eingelaufenen Pfade an Lost Places auch gerne nennt, die Zeugen eines regen Verkehrs sind) entlang, die uns zum Innenhof des Objektes führte, der früher wohl auch einmal die Funktion eines Gartens inne hatte. Hüfthohes Gestrüpp umrundete ihn nun, verdeckte mit Erfolg Bänke und eine Heiligenstatue, die in der Ecke kaum noch auszumachen war. Wie sehr wünsche ich mir den Winter herbei.
Tür und Tor standen offen, so dass es zu keiner Kletterei kam, die mich nur weiter unglücklich gemacht hätte an diesem Tag. Insgeheim graust es mir auch immer davor, wenn eine Tour beginnt, mich unnötig in irgendein Stockwerk zerren zu müssen, um den selben Weg wieder zurück zu nehmen. Meine Vorfahren waren Schmiede, Handwerker und keine Artisten. Als würden sich alle meine Ahnen dagegen sträuben, überkam mich bei jeder Kletteraktion eine Unlust, die ich mit kaum etwas anderem vergleichen könnte.
Im Inneren des Ortes, der sich in zwei Teile aufgliederte (Altenheim und Kapelle) bot sich der Anblick, den ich eigentlich bereits vermutete und der dementsprechend kaum enttäuschend war; der Bereich des Altenheims war schon lange den Flammen zum Opfer gefallen, die ihr Werk in hervorragender Weise vollbracht hatten und den Teil des Objektes für mich so unfotogen gemacht hatten, dass ich kein einziges Foto hier von anfertigen wollte – wohingegen die Kapelle, zu diesem Zeitpunkt, noch so weit in Schuss war, dass ich mich auf sie konzentrierte.
Bereits damals erstaunte mich, dass die Fenster der Kapelle noch intakt waren, wo sie doch so prächtige Ziele abgeben würden für den geistlosen Tatendrang, der so manchen Menschen inne ist. Noch erstaunlicher ist, dass diese Fenster wohl noch heute intakt sind, wo mittlerweile wohl alle Bänken entfernt, oder vielleicht sogar geklaut wurden.
Irrsinn hat dann im Endeffekt doch kein System.