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Chateau Congo

Chateau Congo
RR

Besucht im Jahr 2014

B

elgien… Immer wieder Belgien. Das Land lässt mich nicht los, fesselt mich an sich. Dieses Land ist wie eine Droge mit Stil, wie Absinth, oder auch Opium, und betäubt einen auf genau die Art, die man gerne erlebt und die einen vom Rest der Welt abschottet. Man fährt über die Grenze, durchdringt den Speckgürtel der deutschsprachigen Gemeinschaft, welche die vorhandenen Vorzüge dieses Konstruktes von Nation mittlerweile zu schätzen weiß und stößt vor in meist wallonisches Gebiet. Es ist hier zum Teil einfach nur dreckig, verfallen und anders.

Es herrscht etwas von einer düsteren Stimmung vor, wie man sie nur in den dunklen Gedankengängen Edgar Allan Poes vorzufinden mag („…and in my tremor it slipped from out my hands, and fell heavily, and burst into pieces, and from it, with a rattling sound, there rolled out some instruments of dental surgery, intermingled with many white and glistening substances that were scattered to and fro about the floor…“).

So wie man sich die Menschheit ihrer Kraft beraubt vorstellen mag – inmitten ihrer einstigen, nie wieder erneut zu meisternden, Errungenschaften – genau so präsentieren sich die großen Städte wie Liége; im dauerhaften Unwillen der Bewohner ertrinkend, etwas verbessern zu wollen.

Der erste Geruch, der einem in die Nase steigt sobald man der Maas folgend den äusseren Rand Lüttichs erreicht, stellt eine Vermengung von Abgasen, Kohlenstaub und den Resten der Petrochemie dar.

Dieser Duft steht wie eine Mauer um die Stadt herum, jedem neuen Besucher den passenden Empfang bereitend. Jede Illusion raubend, hier leben zu können. Für jemanden wie mich, der in den 80ern auf die Welt kam und die Sünden der Industrie in Deutschland nur noch schwammig kennt, gibt dieser fast kaubare Duft einen Eindruck vom Wirtschaftswunder wieder.

Der Geruch von Stahl und Kohle, dem sich einst alles zu unterwerfen hatte – im Bestreben der Nachkriegsjahre auf ein wenig Wohlstand.

Meine Augen schweifen umher, als wir durch die Stadt fahren. Eingenebelt von einer Architektur, von einer endlosen Vielfalt an Epochen, wie man sie in Deutschland so niemals vorfinden würde, da nicht zu genehmigen möglich.

Mag es an der unbeirrbaren Entspanntheit Belgiens liegen, oder am Eigenwillen seiner Bürger – vielleicht auch einfach am souveränen Umgang mit Dingen, die mal nicht in das Schema passen? – hier steht Denkmal neben Schrott, hier stehen 18. + 19. + 20. + 21. Jhrdt.  in einer Straße nebeneinander.

Man kann sich nicht satt sehen, man kann nicht aufhören es anzusehen.

Hat man die Frage auf den Lippen, weswegen hier so manches Denkmal einfach nur der Zeit, ohne Pflege und Schutz, zum Opfer gegeben wird, so sollte man sie erst gar nicht aussprechen – man würde sich nur stets den Tag über hinweg wiederholen. Durchwandert man die Innenstadt, zu der man auch über eine goldverzierte Brücke kommen kann, welche Pracht und Glanz verspricht, so fluten die kleinen Gässchen, in denen sich die ungezählten Kneipen aneinanderzwängen, die Sinne. Es gibt so viel zu sehen, so viel zu entdecken – so viele schöne Ecken, so viel was abstößt.

Wir fahren weiter auf unserer Tour und fast schon hätte ich einen Nasenabdruck an der Seitenscheibe hinterlassen. Sehnsucht.

Es geht weiter in das belgische Hinterland, wo größere Städte seltener werden und alles ein wenig langgezogen wirkt, wo in Deutschland unförmige Dorfklumpen vorherrschen. Hier sind es einzelne Straßen, die ineinander übergehen, welche Dörfer definieren. Inmitten von Wald, Bächen, teils holperigen Straßen und einem kaum verborgenen Wohlstand. Mir fallen die riesigen Häuser auf, die gepflegten Gärten und immer wieder, in unregelmäßigen Abständen, die Ruinen, die verlassenen Häuser und die Relikte auf. Manchmal nur eine Grundmauer, manchmal ein kleiner Palast.

Verfall neben Wachstum.

Es liegt wohl am Individualismus Belgiens. Es ist nicht diese soziale Einigelung, die uns versucht wird einzupflanzen; es ist ein gelebter Respekt vor dem, was der andere hinter seiner Hecke anstellt. Meine Gedanken kreisen um dieses Thema und ich zweifle daran, ob diese Rückschlüsse den Tatsachen entsprechen, oder der kollektiven Kultur Belgiens gerecht werden. Es ist ein heimlicher Wunsch nach dem „ich habe Recht in meiner Annahme“ – dem Lob der eigenen Einsicht. Was sicher für mich ist: 3 Gruppen, mit unterschiedlichen Sprachen, kulturellen Hintergründen und politischen Wünschen – in ein kleines, aber stolzes Land gezwängt. Das ist Europa in Miniatur, mit all seinen Spannungen und Krisen.

Die Straße wird enger und älter, kaum noch breit genug für ein Auto und dennoch gibt es Gegenverkehr, Viadukte zu bestaunen und ein nicht enden wollender Wald. Die Ortsmarkierung kommt dann auch immer näher und es sind Zweifel im Raum, ob die bekannten Bilder wirklich zu dieser Landschaft hier passen können. So lange Fahrten steigern immer die Angst in mir, doch einmal vor einer verschlossenen Räumlichkeit zu stehen, oder einfach nur die falschen Angaben zu haben. So viel Zeit verschwendet. Doch alle Sorgen sind unbegründet: Wir sind da!

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