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Maison Gustaaf

Maison Gustaaf
RR

Besucht im Jahr 2015

M

anchmal tut eine Pause gut, etwas Abstand noch viel besser. Manchmal.

Es war die erste Urbex-Tour seit Monaten, auf die mich mein Kumpel Manolo zerrte. Ich hatte mir eine Auszeit genommen, eine lange Auszeit. Keine Fotografie, keinen Stress, keine Besonderheiten. Eins sein mit der bedrückenden Langeweile einer ninetofive Existenz, die 2 1/2 Kinder, einen Urlaub pro Jahr, die Rente und dann ein Martyrium aus langwierigen Krankenhausbesuchen bedeutete. „Sich erden“ – oder einfach einmal das kleine Rädchen im Getriebe sein und sich drehen.

you’re not a beautiful and unique snowflake

Denn manchmal ist man auch einfach so vollgefressen, dass man vergisst was Hunger bedeutet.

Manchmal ist man auch einfach so im Wohlstand beerdigt, dass man es nicht mehr erkennen kann. Die unbewusste Verdammnis der Zivilisation, dass man irgendwann blind wird für sein eigenes Glück. Manolo und sein Kumpel Daniel warteten auf mich, bibbernd auf dem trostlosen Parkplatz des Universitätsklinikums, dessen Asphalthorror und architektonische Öde nur noch durch den typischen Regens Aachen gekürt werden konnte (der natürlich nicht fehlen durfte). Der Regen in Aachen ist anders, auch wenn man es erstmals nicht glauben will, denn er ist kein gewöhnlicher Regen: Er ist immer da. Immer. In Aachen regnet es nicht einmal in der Woche, nein – in Aachen regnet es hin und wieder einmal in der Woche nicht. Er nieselt, er „schüttet“, er nebelt… doch bleibt es dieser beschissene Regen, der diese Stadt in seiner Zuneigung zu ertränken versucht.
Reihe 16, Parkbereich „P 2.1“ – so Deutsch könnte nicht einmal eine DIN Norm klingen. Ob der Abstand der jeweiligen Pflanzen in der Begrünung gemessen -und gegebenenfalls korrigiert- wurde? Es war Nacht.

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anchmal ist man auch einfach so im Wohlstand beerdigt, dass man es nicht mehr erkennen kann. Die unbewusste Verdammnis der Zivilisation, dass man irgendwann blind wird für sein eigenes Glück. Manolo und sein Kumpel Daniel warteten auf mich, bibbernd auf dem trostlosen Parkplatz des Universitätsklinikums, dessen Asphalthorror und architektonische Öde nur noch durch den typischen Regens Aachen gekürt werden konnte (der natürlich nicht fehlen durfte). Der Regen in Aachen ist anders, auch wenn man es erstmals nicht glauben will, denn er ist kein gewöhnlicher Regen: Er ist immer da. Immer. In Aachen regnet es nicht einmal in der Woche, nein – in Aachen regnet es hin und wieder einmal in der Woche nicht. Er nieselt, er „schüttet“, er nebelt… doch bleibt es dieser beschissene Regen, der diese Stadt in seiner Zuneigung zu ertränken versucht.
Reihe 16, Parkbereich „P 2.1“ – so Deutsch könnte nicht einmal eine DIN Norm klingen. Ob der Abstand der jeweiligen Pflanzen in der Begrünung gemessen -und gegebenenfalls korrigiert- wurde? Es war Nacht.

Meine Augen hingen mindestens so sehr wie mein Gang und meine Jacke sog sich, von Meter zu Meter, weiter mit diesem eiskalten Regen voll. Doch mein Kopf konnte -ja wollte- nicht verarbeiten, dass mir eigentlich richtig scheisse kalt war – dass ich hundemüde sein sollte, dass es besser wäre jetzt mal anzufangen zu zittern. Meine Gedanken waren zur einen Hälfte noch in der Nachtschicht – zur anderen in meinem warmen Bett, neben meiner warmen Freundin. Ankuscheln, die kalten Knochen an einer kreischenden Frau wärmen, welche die kalten Finger mit Schlägen abzuwehren versuchte… Kleine Gemeinheiten, die Freude bereiteten. Gemeinsam einschlafen und sich voller Wonne ansabbern… Kleines Glück, in dieser weiten Welt. Die Vorstellung nach Belgien zu fahren, in diesen Abgrund, wurde immer abstrakter für mich. Es wurde immer ferner, obwohl ich, wie von Geisterhand gezogen, durch das so „romantische“ Licht von Natriumdampflampen auf Manolo und Daniel zuging. Ein Licht, wie man es höchstens nur bei einem Stasiverhör erwarten würde.


Alles erschien hier wie aus einem Film Noir, wo der Held ein abgewrackter Haufen Mensch ist, der sich durchkämpft – oder einfach nur zum Spaß vom Schicksal durchgeschubst wird. Chinatown*, durch das Licht der NDL Lampen in orangen Tönen zerbrannt, hätte hier eine Szene finden können. Mir wurde jedoch wieder langsam bewusst, wieso ich so irre war, wieso ich mit 30 Jahren noch nicht wahrhaben wollte, dass ich 24h auf den Beinen nicht mehr packen würde – ohne nach einer Tour wie dieser wie ein Haufen Müll auszusehen. Je mehr Tropfen aus eisigem Wasser mir an den Schläfen entlang liefen, desto mehr wurde mir hier wieder bewusst wie sehr ich diesen Kram eigentlich liebte. Wie gerne ich dieser zerschundene, zerzauste Typ war, auf den nur blinde Spieler wetten würden. Blinde und betrunkene Spieler. Wie sehr ich es liebte mich im Dreck zu wälzen.
Man begrüßte sich mit einem speziellen Gefühl in der Magengrube.

E

s war das Gefühl von freudiger Ungewissheit, von Dankbarkeit, von der Erwartung heute unangenehmer körperlicher Gewalt ausgesetzt zu werden, durch einen belgischen Bauern mit fragwürdiger Ansicht zur maßlosen Gewaltanwendung. Die heimliche Freude darüber die Story heute mal nicht schon im Voraus zu kennen, sondern die Schreibfeder dem Schicksal zu überlassen. Dieses Gefühl, über das so viele, unendlich viele Menschen immer berichten, fernab der „comfort zone“ – dort, wo das Abenteuer liegt. Manch einer gibt dafür „Coachings“ und nutzt die Sehnsucht der Menschen nach Ungewissheit aus, um dafür eine Gewissheit auf seinem eigenen Kontoauszug zu generieren. Verwerflich? Opportun. Langweilig. Abenteuer bedeutet nicht zu buchen, sich von anderen erzählen zu lassen was man machen sollte, um seinem Leben einen „Pepp“ zu geben. Abenteuer müssen nicht aus 4000km Reisen bestehen, die mit Bandwürmern, Knochenbrüchen und seltsamen Nächten voller Erinnerungslücken und schmerzenden Körperöffnungen enden. Abenteuer bestehen nicht daraus vor etwas wegzulaufen, sondern etwas zu finden wo man nichts erhofft hat. Einfach loszulegen, ohne zu wissen warum, wieso und wohin.

Das Abenteuer fängt auf einem verregneten Parkplatz an; mit zugeklebten Augen, Regen durchtränkten Klamotten und einer beschissenen Beleuchtung. Als dann der Motor startete undich durch die, von Tropfen überbevölkerte, Scheibe blickte… Ja da wurde es mir wieder klar: Ich war wieder zurück – der Gescheiterte, der Ausgebrannte, der ewig Depressive und doch Glückliche. Der, der am Ende als letzter Boxer im Ring steht.

Wir fuhren bis zum Ende meiner Welt, in ein Land voller „Noir“, dort wo die Landschaft so trostlos, so ausgemergelt und kultiviert, so modern war. Dorthin, wo man alles, aber keine Inspiration und keine Hoffnung ewartete.

„Dir Federn in den Arsch zu stecken, macht dich noch nicht zum Huhn.“

Comments (1)

Schöne Fotos aus dem Maison Gustaf. Umso wertvoller, wenn es inzwischen abgerissen ist. Lass uns nochmal die Gegend unsicher machen 🙂 und schöne Fotos machen.

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