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Das Hexenhaus

Das Hexenhaus
RR

Besucht im Jahr 2015

H

öllische Rückenschmerzen, die durch verschobene Wirbel und zu schwere Patienten ihren Weg zu mir fanden, begleiteten mich an diesem Tag mal wieder ohne Pause. Man kann sich an alles gewöhnen, nur nie an Schmerzen. Ignorieren, akzeptieren, ausblenden – alles schöne Phrasen, die sich in Luft auflösen, sobald man versucht sich zu bücken und die Nerven beginnen ihr Lied anzuklingen.

Es war ein Spontantrip, der uns nicht sonderlich weit weg von Aachen führte – ziemlich genau eigentlich in das Herz der Deutschprachigen Gemeinschaft. Ein skurriles Fleckchen Erde, welches irgendwie zwischen den Welten zu schweben scheint; nicht wirklich Deutsch, nicht wirklich Belgisch, irgendwie ein Stückchen Land für sich. Man fühlt sich, weder als Belgier, noch als Deutscher, dort wirklich aufgehoben, aber auch nicht völlig fremd. Schwer zu beschreiben – man muss es erleben, um es zu verstehen.

Genau so seltsam wirkte dann auch das Haus, welches auf unserer imaginären Liste stand; eine ehemaligen Grundschule, umzäunt von gut gepflegten Eigenheimen, im Zustand der Verwahrlosung.

Nichts besonderes, für das geliebte Nachbarland.

Eigentlich. Doch uneigentlich war es, in der DG, etwas anders, als im Rest des belgischen Königreichs – hier lässt man grundsätzlich nur ungerne Dinge verkommen, was sich auch an der soliden Straßendecke erkennen lässt. Kein typisches Schlagloch, keine Ölspur auf der Fahrbahn, die schon ein Jahresgedächtnis bekommen könnte.

Doch dann war da dieses seltsame Gebäude, welches an ein zu klein geratenes Schloss erinnerte. Wir wanderten, so unauffällig wie nur möglich, um das Gebäude herum und suchten nach einem Eingang, der im Grunde ein jedes Loch sein könnte. Kellerfenster? Offenes Fenster? Offene Türe? Ein Loch im Boden? Dieses Mal war es eine zuvor bearbeitete Türe, die notdürftig und sinnbefreit von einer Spanplatte nur zur unteren Hälfte repariert wurde.

Mein Rücken meldete sich wieder, als ich mich über die Platte schwang, wie ein 90 Jähriger Veteran.

Man wird nicht besser, wenn man älter wird. Man wird nur älter, immer älter.

Ungewöhnlich hell war es im Gebäude, was mir in die Karten spielen sollte, da ich kein Stativ tragen konnte. ISO 3200? Vollformat Freunde, die Zeiten waren gut zu mir und die Technik ausgereift. Farbfotografie in ansehnlichen Größen, bei fast bestehender Dunkelheit – Vor einigen Jahrzehnten, in dieser Qualität, so gut wie undenkbar gewesen.

Wir schauten uns um, machten wie üblich unsere Erkundungen und beschlossen, uns von oben nach unten zu arbeiten. Die große, steinerne Treppe führte uns hoch, während die Temperatur langsam in angenehme Bereiche wanderte und der Frost aus den Knochen wich. Was wir sahen, passte nicht ganz zu der ehemaligen Verwendung dieses Ortes – war es wirklich ein Kindergarten / eine Grundschule gewesen? Alles hier wirkte… seltsam. Eigenartige Ornamente, eigenartige Wandfiguren.

Oben angekommen, richteten wir unseren Blick auf die Hinterlassenschaften der Dorfjugend, welche dort anscheinend ein Domizil mit eigenartigen Regeln errichtet hatte. So barock das Erdgeschoss wirkte, so simpel und trostlos das Obergeschoss. Es passte immer weniger zusammen, was dieses Haus hier darbot.

Nach guten zwei Stunden waren wir fertig und verließen das Objekt – irgendwie erleichtert, diesen seltsamen Ort verlassen zu können, der mehr an ein Hexenhaus, als an ein Hort unbeschwerter Kindheit erinnerte.

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